Leben als hochsensibler Mensch

Anders sein


Vielleicht fragst du dich, warum sich der ein oder andere in deinem Umfeld so "seltsam benimmt". Oder du wirst unter Umständen selbst als "Freak" abgestempelt - und merkst auch selbst, dass du "anders" bist.

Dann suchst du jetzt hier eventuell nach Antworten für dein Verhalten oder das anderer. Oder du hast schon einmal von dem Wort "Hochsensibilität" gehört und möchtest nun erfahren, was das genau heißt ...

Doch "anders sein" bedeutet erstmal nichts schlimmes. Auch Superhelden sind anders. Und ja, ich würde sogar soweit gehen, dass man Hochsensibilität in gewissem Maße mit einer Art "Superkraft" vergleichen kann - keine, durch die man fliegen oder extrem schwere Dinge bewegen kann - aber eine, die das Leben nachhaltig verändert.


Arten von Hochsensibilität


Eine wirklich allgemein gültige Unterscheidung von Hochsensibilität gibt es nicht, da die Forschung auf diesem Gebiet einfach nicht weit genug fortgeschritten ist. Hochsensible Menschen haben sich über die Jahre hinweg erfolgreich "versteckt" und wurden erst in den letzten Jahren / Jahrzehnten tatsächlich gesehen.

Grundsätzlich wird Hochsensibilität in drei Arten unterteilt:

1. Sensorisch hochsensible Menschen
Hierbei besitzt der Hochsensible Mensch eine extrem ausgeprägte  Sinneswahrnehmung. Gerüche und Geschmackseindrücke, sowie optische Eindrücke (wie Licht, Formen, Farben - also auch fotographische Wahrnehmung und das Wahrnehmen bestimmter Strukturen und Muster) werden übermäßig wahrgenommen. Außerdem kann der Tastsinn um ein vielfaches verstärkt sein.

2. Emotional hochsensible Menschen
Sie verfügen über eine immens ausgeprägte Emphatie, durch die sie auch feine zwischenmenschliche Stimmungen wahrnehmen können. Diese Fähigkeit kann leider oft zu Problemen führen, da viele dazu neigen, die Verstimmungen und Probleme ihrer Mitmenschen in sich "aufzunehmen" und sie somit zu ihrer eigenen Last werden.

3. Kognitiv hochsensible Menschen
Diese Art von Hochsensiblen besitzen ein starkes, intuitives Gefühl für Logik. Sie denken häufig in sehr komplexen Zusammenhängen und beleuchten Situationen oft aus verschiedenen Perspektiven. Kognitiv hochsensible Menschen haben in der Regel besondere Begabungen auf technischen und wissenschaftlichen Gebieten und leiden oft an Perfektionismus. Ihre Gedankengänge sind so vielschichtig, dass sie oft Probleme damit haben, diese in strukturierten Formen an andere Menschen weiterzugeben, was die Kommunikation mti anderen Menschen im Alltag häufig erschwert.

Leben als Hochsensible


Ich möchte niemandem etwas vormachen: Das Leben als Hochsensible ist oft nicht leicht. Vielleicht fällt es mir besonders schwer, weil ich von den 3 o.g. Arten jeweils einen Teil in Bezug auf mich selbst bestätigen kann.

Als Kind war ich "anders" - das habe ich schnell gemerkt. Ich wurde in der weiterführenden Schule gemobbt - allerdings nicht, weil ich lieber weniger Leute um mich herum hatte und das Thema "Schreiben" mich leidenschaftlich berührte (seien es die Romane, die ich mit etwa 7 Jahren zu schreiben begann oder Gedichte) und recht introvertiert war, sondern weil ich die falsche Kleidung (in den Augen meiner Mitschüler) trug und ich ihnen zu still und zu "out" war.

Erst mit dem Auszug aus dem Elternhaus und den Start in die Berufskarriere fand ich nach und nach zu mir selbst. Ich ging nicht mehr ständig in viel zu laute Discotheken, sondern las Bücher, schrieb Geschichten oder Blogs und traf mich mit Freunden (nacheinander). Menschenansammlungen hasste ich schon immer, ich war lieber in einer ruhigen Umgebung.

Ich fotografierte damals schon sehr gerne, machte Blödsinn, sang, tanze - das volle Programm - aber eben nur mit (engen) Freunden oder allein.

Später dann bekam ich ein Kind. Eine Tochter. Als sie eingeschult wurde, stellte sich heraus: Sie ist hochsensibel. Das war der Zeitpunkt, als mir einiges klar wurde. Der Grund, weshalb ich wohl eher mit einem "Nerdprofil" abgestempelt wurde, anstatt als "gesellige Entertainerin": Ich war ebenfalls hochsensibel.

Im Laufe der Zeit lernte ich immer mehr aus Büchern, Homepages und aus den Erfahrungen anderer Hochsensiblen über dieses Thema und lernte meine vermeintlichen "Schwächen" anzunehmen und sie als Stärken anzusehen. Niemand - außer meiner Tochter - war so einfühlsam, wie ich.

Wir erschrecken uns leicht, wir hassen laute Geräusche (außer Musik - aber nur bis zu einer bestimmten Lautstärke) und unsere Haut ist extrem feinfühlig. Bei meiner Tochter äußert sich die Hochsensibilität u.a. darin, dass sie sich bei lauten Geräuschen nur schlecht konzentrieren kann (weshalb sie in ihrer alten Schule bereits mit den wildesten Diagnosen seitens der Klassenlehrerin belästigt und verfolgt wurde - die natürlich alle völliger Schwachsinn waren). Auch wurde in besagter Schule behauptet, sie würde definitiv eine schwere Form von Authismus haben, weil sie sehr geräuschempfindlich und zurückhalten ist. Um dieser Schule den Wind aus den Segeln zu nehmen, ging ich mit ihr zu einer sehr guten und bekannten Psychologin, sprach mit ihr über die damalig aktuelle Situation und erfuhr von ihr das erste mal von Hochsensibilität. Später stellte sich sogar heraus, dass meine Tochter zudem auch hochintelligent ist.

Wie ich eben bereits erwähnte, sorgte diese (diesmal richtige) Diagnose dafür, dass sich sogar unser beider Leben von Grund auf veränderte - ja definitiv verbesserte.

Wir hatten nun einen Namen für unsere "Superkraft" und lernten beide, diese zu nutzen, anstatt sie als "Gegner" anzusehen.

Von da an begegneten wir beide einigen Menschen, die unsere "Situation" verstanden und sich für uns freuten - und die paar, die Hochsensibilität nicht verstanden, die ließen wir weiterziehen.

Heute bin ich mit einem überaus liebenswerten und verständnisvollen Mann zusammen, der mich so liebt, wie ich bin (und der sogar ähnlich drauf ist, wie ich selbst).

Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht mit eurer Hochsensibilität? Oder kennt ihr Menschen, die hochsensibel sind?

2 Kommentare

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  2. Hallo Silke,

    ich bin auf deinen Blog gestoßen und kann nur sagen, dass das Thema Hochsensibilität in den letzten zehn Jahren v.a. durch das Internet wesentlich bekannter geworden ist. Ich finde heute viel mehr Beiträge zum Thema HS als noch vor zehn Jahren, als ich meinen Blog startete. Das finde ich sehr positiv aber ich weiß auch, dass viele noch nie davon gehört haben und deshalb schreibe ich weiter über dieses Thema. Ich habe auch eine Tochter. Ihre Sensibilität fällt zum Glück da wo wir wohnen nicht negativ auf und ist auch nie thematisiert worden. Im Gegenteil, sie ist sehr beliebt und darüber bin ich sehr froh. Dieses Anderssein bzw. sich anders fühlen kann ich total bestätigen. Das habe ich auch oft als Kind gehabt und es hat mich damals sehr belastet, weil so wenig Platz und Verständnis für mein Empfinden da war.

    Die Unterscheidung zwischen den drei Arten der Hochsensibilität finde ich sehr interessant und habe ich so noch nicht gekannt. Ich zähle mich zu den emotional hochsensiblen Menschen und wie du ganz richtig beschreibst, führt es dazu, dass ich die Stimmungen anderer Menschen wahrnehme und darauf "reagiere". Das kann sehr belastend sein. Damit ist auch schon wieder eine neue Idee zu einem Blogpost entstanden. Ich werde deinen Artikel dort erwähnen. Danke dir. :-)

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